...und ich war dabei

Ich bin ja noch einen Bericht, über mein Ehrenamt als Wahlhelfer schuldig.

Es verlief im Großen und Ganzen doch recht unspektakulär, aber war hier und da doch recht amüsant.

Bestellt war ich um Punkt 7.30 Uhr in einer hiesigen Hauptschule. Natürlich war um diese Zeit aus mir und dem Hausmeister keiner da. Keine Offiziellen. Nüscht. Nunja, helf' ich halt ein wenig beim Tische und Stühle stapeln.

10 min braucht es, bis sich Vertreter des Stadtrats in die heiligen Wahlhallen bemühen und es endlich losgehen kann. Zunächst werden die Teams eingeteilt und dann auf Verschwiegenheit verpflichtet. Dann werden die Zuständigkeiten geklärt. Ein Wahlvorstand besteht immer aus mindestens 3 Personen:

1.) der Wahlvorsteher
Der hat die Verantwortung, kennt die Regeln, gibt hinterher die Ergebnisse weiter und trifft Entscheidungen im Zweifelsfall

2.) der Schriftführer
das ist derjenige, der die Liste der Wahlberechtigten vor sich hat und mit den Wahlbenachrichtungen vergleicht.

3.) der Beisitzer
das ist eigentlich mehr ein Springer. Meistens gibt er die Wahlzettel aus und ist für den Small-Talk mit den Wählern zuständig.

Die Personen des Wahlvorstands kommen übrigens alle auch aus dem Wahlkreis, den sie betreuen. Das hat den Hintergrund, dass sie durch Orts- und Personenkenntnisse den Wahlvorgang beschleunigen können. Da muss nicht immer alles geprüft werden, wenn man die Person persönlich kennt.

Ein paar wichtige Dinge, die ich vorher auch nicht wusste:

1.) Im Wahllokal müssen immer 3 Personen des Wahlvorstandes sein (also Pinkeln nur nach Absprache)

2.) Die Wahl als auch die Auszählung muss immer öffentlich sein. Wenn sich also jemand einen Stuhl mitnimmt und sich 12 h ins Wahllokal setzen will, kann er das gerne machen.

3.) Ein Perso ist nicht unbedingt notwendig. Auf der Wahlbenachrichtigung steht eine durchlaufende Nummer. Die wird dann im Wählerverzeichnis gesucht und mit den anderen Daten verglichen (Geburtsdatum, Straße etc.). Das reicht auch meistens aus, da die meisten Wähler immer in Gruppen auftauchen (Ehepartner, Freund/Freundin, Familie). Von daher ist es recht unwahrscheinlich, dass einer davon mit einer fremden Wahlbenachrichtigung wählen geht. Warum auch?

4.) Man kann auch nur 1 Stimme abgeben. Wenn ich z.B. den Grünen meine Zweitstimme gebe und die Erststimme leer lasse, ist der Wahlzettel trotzdem gültig. Die Erststimme wird dann als ungültig deklariert und einfach nicht mitgezählt.

Soweit so gut. Dann verbrachte ich den Rest des Tages damit:
- Wahlbenachrichtungen zu prüfen,
- Wahlzettel auszugeben,
- darauf hinzuweisen, dass momentan alle Wahlkabinen besetzt sind,
- darauf hinzuweisen, dass sich Kugelschreiber in der Wahlkabine befinden,
- den Leuten zu erklären, dass es schon seit 20 Jahren keine Umschläge mehr gibt
- darauf hinzuweisen, den Wahlzettel doch bitte gefaltet in die Urne zu werfen und nicht bei mir abzugeben.
- den Freunden, Verwandten und Bekannten zu erklären, dass ich nicht in einer Partei bin sondern als Bürger hier sitze.

uswusf.

Dann kommt irgendwann mal die Auszählung. Jetzt wird es spannend und kompliziert:.

1.) Erstmal die Tür zu und wieder auf (Wahl beenden und die Auszählung wieder öffentlich machen)
2.) die Urne öffen (war die ganze Zeit abgeschlossen)
3.) die Wahlzettel auskippen und nach Stimmen sortieren, wo 1+2 Stimme gleich ist (das sind die meisten) und den Rest
4.) diese Häufchen werden dann 2mal ausgezählt und die Summe mit den abgegebenen Wahlbenachrichtigungen bzw. den markierten Wählern in der Wählerliste verglichen. Diese Zahl muss gleich sein, sonst wird es schwierig.
5.) Die ungültigen Wahlzettel werden aussortiert
6.) Das Häufchen mit den gleichen 1. und 2Stimmen wird beiseite gelegt.
7.) Das Restehäufchen mit den ungleichen Stimmen wird erstmal nach der Erststimme sortiert und 2mal gezählt.
8.) Danach wird es nach der 2Stimme sortiert und wieder 2mal gezählt.
9.) Jetzt kommt die Stunde der Statistiker. Die Ergebnisse der ganzen Zählvorgänge werden in eine Matrix eingegeben, deren unterschiedliche Quersummen leicht geprüft werden können
10.) Diese Wahlmatrix wird an den Wahlleiter der Kommune per Telefon durchgegeben. Der kann dann mit dem entsprechenden Computerprogramm checken, ob das Ergbenis rechnerisch stimmen kann.

Das Ganze dauert so ca. 1 h für ca. 600 Wahlzettel.

Im Großen und Ganzen also ganz interessant. Man lernt viel Menschen kennen. Und da ich gut 10h zwischen einem Banker und einem Rechtanwalt gesessen habe, konnte ich für mich viele Fragen aus erster Hand beantworten lassen. Und das kostenlos. Kommt ja auch selten vor.

Ausfälle kam es keine großen. Das jemand mit der Ertstimme die NPD und mit der Zweitstimme die LINKE wählt, war eigentlich das Erstaunlichste.

Interessant war später, dass die Wahlbeteiligung bei den sozial schwächeren Familien (das kann man ja leicht im Wählerverzeichnis nachprüfen) wesentlich schwächer war als der Durchschnitt. Wir kamen in unserem Wahlbezirk auf 79,6% (incl. 23% Briefwähler).

Nunja, bin gespannt, ob es mich bei der nächsten Wahl wieder trifft. Bisher konnte ich in der Auswahl der Beisitzer noch kein System erkennen. Auch kein Zufälliges.
serotonic - 26. Sep, 19:27

Von daher ist es recht unwahrscheinlich, dass einer davon mit einer fremden Wahlbenachrichtigung wählen geht. Warum auch?

Um vielleicht mit mehr als nur den 2 eigenen Kreuzchen auf das Wahlergebnis einzuwirken.
Die fehlende Kontrolle brachte mich auf die Idee, die Wahlbenachrichtigungen meiner wahlfaulen Bekannten zu sammeln und dem Verfall derer Stimmen entgegenzuwirken, also munter in anderen Wahlkreisen Kreuzchen meiner Vorliebe zu setzen. Natürlich ist das keine Idee, die je in ihrer Ausführung münden wird - nur wenn ich schon auf so eine Idee komme, kommen da ganz Andere ebenfalls drauf...

Einen guten Tag auch, Herr Zoso, freue mich Sie kennenlesen zu lernen!

zoso - 27. Sep, 09:36

Hallo serotonic! schön, dass Sie mal reinschauen.

Wir haben das in den 10h Wahlaufsicht auch diskutiert. Die Manipulation ist vernachlässigbar. Ein normaler Stimmkreis hat irgendwas um die 1000 Stimmberechtigte. Wenn da 1-2 Wahlphishing betreiben, macht 1-2 Promille aus.

Außerdem kennt man den Großteil der Wähler ja persönlich. Von daher…drauf geschi…

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